04. Dezember 2024
Der Plan der AfD, ihre Jugendorganisation zu reformieren, ist Ausdruck eines Richtungsstreits zwischen Pragmatikern und Fundamentalisten. Das Vorhaben zeigt: Die AfD will regierungsfähig werden.
Die Junge Alternative bei einer Demonstration in Erfurt, 28. Oktober 2023.
So ganz klar war zunächst nicht, was die AfD mit ihrer Jugendorganisation vorhat. Nachdem es zunächst hieß, die Partei wolle die Junge Alternative durch eine völlig neue Organisation ersetzen, wurde dies später von Funktionären dementiert. Zuletzt hieß es in den Medien, der Jungen Alternative solle durch eine Satzungsänderung das sogenannte Juso-Modell übergestülpt werden. Dies würde bedeuten, dass jedes AfD-Mitglied zwischen 16 und 35 Jahren automatisch Mitglied des Jugendverbandes wird. Ein Unterschied zu den Jusos: Dort kann man auch nur Mitglied im Jugendverband werden – ein Parteieintritt ist nicht zwingend.
Genau das soll nun bei der AfD anders werden. Denn es gehe um »Durchgriffsmöglichkeiten« für die Mutterpartei, so Alice Weidel auf einer Pressekonferenz der Bundestagsfraktion. Konkret heißt das, dass die AfD Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der JA einleiten könnte. Außerdem würde die umfangreichere Unvereinbarkeitsliste der AfD auch für JA-Mitglieder gelten.
Das Vorhaben steht schon länger im Raum, Medien berichteten bereits im Sommer über entsprechende Pläne. Konkreter Anlass könnte nun die Verhaftung der »sächsischen Separatisten« vor einem Monat gewesen sein. Unter ihnen waren mit Kurt Hättasch und Kevin R. zwei Funktionäre der Jugendorganisation, Hättasch war sogar Schatzmeister seines Landesverbandes. Zusammen mit weiteren Rechtsextremen sollen sie einen Umsturz geplant haben, die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts.
Die Änderungen zur besseren Kontrolle des Jugendverbandes sind allerdings noch nicht beschlossen. Denn dafür ist eine Satzungsänderung nötig, die nur mit Zweidrittelmehrheit auf dem nächsten Parteitag Anfang Januar im sächsischen Riesa beschlossen werden kann. Dass der Antrag durchkommt, ist keineswegs sicher. Denn im Hintergrund zeichnet sich ein Richtungsstreit zwischen Pragmatikern und Fundamentalisten ab.
In der bisherigen Berichterstattung war vor allem davon die Rede, dass die AfD ihre Jugendorganisation enger an sich binden wolle, um einem möglichen Verbotsverfahren den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das klingt auf den ersten Blick plausibel, schließlich wurde die JA bereits im April 2023 vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Auf den zweiten Blick steht jedoch etwas anderes auf dem Spiel: die mögliche Regierungsfähigkeit.
Denn in den bisherigen Verfahren, die die AfD vor verschiedenen Gerichten gegen ihre Einstufung durch den Verfassungsschutz geführt hat, spielte ihre Jugendorganisation kaum eine Rolle. Zwar droht der JA im Zweifel selbst ein Verbot über das Vereinsrecht. Dass der Verband mit seinen rund 2.500 Mitgliedern aber maßgeblich herangezogen wird, um ein Verbot der AfD mit ihren 50.000 Mitgliedern durchzusetzen, ist eher unwahrscheinlich.
Wichtiger ist ein grundsätzlicher politischer Streit, der in der AfD seit geraumer Zeit unter der Oberfläche brodelt: Regieren oder nicht? Bislang hat die Partei auf Bundes- und Landesebene keinen Weg an die realpolitische Macht gefunden. Ein Kurs, der sich die Normalisierung von Marine Le Pen oder den Pragmatismus von Giorgia Meloni zum Vorbild macht, könnte dabei helfen. Davon ist jedenfalls ein Teil der Partei überzeugt.
Das sehen vor allem die Ostverbände anders. Ihnen nahestehende neurechte Publizisten wie Benedikt Kaiser warnen seit langem vor einer »Melonisierung« der Partei. Der Zugriff auf die radikale Parteijugend könnte ein weiterer Schritt in diese Richtung sein und wird entsprechend kritisch beäugt.
Die Forderung, die JA aufzulösen, ist aus Kreisen der Pragmatiker schon länger zu hören. Kay Gottschalk, stellvertretender Sprecher des Landesverbandes NRW, versuchte nun frühzeitig, die Fundamentalisten in seiner Partei zu beruhigen. In einem Interview erklärt er, es handele sich lediglich um das Ergebnis eines langen Reformprozesses – am Ende werde alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht werde.
Die Junge Alternative selbst widerspricht dem. Auch wenn ihr Bundesvorsitzender Hannes Gnauck die Entscheidung des AfD-Bundesvorstands öffentlich verteidigte, brodelt es eine Ebene tiefer. In einer internen Stellungnahme des JA-Bundesvorstandes heißt es, das Vertrauen sei »erschüttert«, nachdem »solche Vorschläge zuerst in der linken Mainstreampresse« aufgetaucht seien. Der NRW-Vorsitzende der JA findet drastischere Worte: »Dieser Satzungsentwurf ist das Krankeste, was ich je gehört habe«, schrieb er laut Table.Media in einem internen Chat.
Und auch sonst orientiert sich der Jugendverband weiter an Björn Höcke, der noch im Februar auf einer Bühne des Instituts für Staatspolitik »entschlossensten Widerstand« gegen jede Abspaltung der Jungen Alternative ankündigte. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Jugendorganisation scheint genau das ernst zu nehmen. Intern appellierte Nils Hartwig laut Table.Media: »Jetzt heißt es Stahlhelm auf und ab in den Schützengraben. Unsere JA nehmen sie uns nicht.«
Auf dem Parteitag könnte es also für die Junge Alternative in die offene Feldschlacht gehen. Verlieren sie diese, wäre tatsächlich ein weiterer Schritt zum eher pragmatischen Rechtsradikalismus gemacht. Für die meisten Jungen in der AfD dürfte das kein schlechter Ausblick sein. Immerhin winken dann potenziell Finanztöpfe und Machtoptionen in einer ganz neuen Größenordnung.
Nils Schniederjann ist Journalist in Berlin.