07. Oktober 2023
Immer mehr Staaten verkaufen ihre Staatsbürgerschaften und die damit einhergehenden Privilegien. Der lukrative Handel mit sogenannten »goldenen Pässen« zeigt eine weitere dunkle Seite der kapitalistischen Globalisierung, die die Menschen nach ihrer Staatsbürgerschaft bewertet.
Im Oktober 2017 ging’s im bergigen, rund 620.000 Einwohner umfassenden Montenegro rund. Angesichts der Größe des Landes brauchte es nicht viel, um einen Hype rund um das Global Citizen Forum (GCF) zu erzeugen. In der Hauptstadt Podgorica wurden auf Plakatwänden riesige Bilder der Hauptredner des GCF gezeigt, darunter der Schauspieler Robert De Niro, der Rapper Wyclef Jean und US-General Wesley Clark.
Entlang der Adriaküste säumten schwarz-goldene Werbebanner die Autobahn. Die vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer sollten laut den Slogans »inspiriert« und »Innovation« vorangetrieben werden. Am Flughafen begrüßten Plakate die Ankommenden mit »The future starts now«. Für zwei Tage kamen fast 400 Teilnehmende in dem kleinen Balkanland zusammen, um über die offenbar drängendsten Probleme der heutigen Welt zu diskutieren.
Millionäre tummelten sich auf den Veranstaltungen, unterhielten sich mit DJs und Supermodels. Ministerpräsidenten und andere Politikerinnen wurden per Hubschrauber eingeflogen. Dazu gesellten sich selbsternannte Philanthropen, NGO-Mitarbeitende, Bankerinnen, Kreative und auch ein paar Royals. Wenig deutete auf eine wichtige Quelle hin, die diese Veranstaltung überhaupt erst ermöglichte: sogenannte »goldene Pässe«.
Tatsächlich hatten mehrere Gäste, mit denen ich sprach, offenbar noch nie davon gehört. Wenn das Thema aufkam, dann maximal am Rande. Immerhin: Ein Vertreter der montenegrinischen Regierung beschrieb in einer Diskussionsrunde das Citizenship by Investment (CBI) Programm, das Montenegro plant. Dieses sei »eine Möglichkeit, Menschen mit Wissen und Erfahrung anzuziehen, damit sie hierherkommen und andere ausbilden, um das Land voranzubringen«. Wenn derartige Pläne »richtig durchgeführt, gesteuert und kontrolliert« würden, sei dies »eine große Chance für Länder wie Montenegro... Wir wollen nicht Pässe verkaufen, wir wollen Expertise einkaufen.«
Ich habe mit ihm und weiteren Beamten aus anderen Ländern gesprochen, die CBI-Programme entwickeln wollen. Zumindest in Georgien, Nordmazedonien und der Republik Moldau scheint es reges Interesse daran zu geben. Ein Beamter aus Armenien erklärte mir bei einem Kaffee, dass sein Land, dem es an Rohstoffen wie Öl oder Gas mangelt, nach Wegen sucht, ein neues Business-Umfeld zu schaffen, das ausländisches Kapital anzieht. CBI-Programme werden dabei als ein Mittel angesehen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. »Wir suchen nach einem Instrument, um das Land in den richtigen Netzwerken zu platzieren,« erklärte er. Wenn man sich in den »richtigen«Elitenetzwerken präsentieren wollte, war das Global Citizen Forum in Montenegro sicherlich der richtige Ort.
»Es gibt mindestens 22 Länder, die im Jahr 2022 über eine gesetzliche Grundlage für die Einbürgerung von Personen verfügten, die einen bestimmten Betrag im Land investieren.«
Das CBI-Prinzip »Staatsbürgerschaft für Investments« ist weiter verbreitet als man denken mag. In mehr als einem Dutzend Ländern gibt es entsprechende Programme: in der Karibik-Region beispielsweise in Antigua, Dominica, Grenada, St. Kitts sowie in St. Lucia. Im weiter gefassten Mittelmeerraum finden sich nach wie vor der EU-Staat Malta – neben Zypern, das sein langjähriges Programm seit Herbst 2020 zumindest vorübergehend eingestellt hat – und Ägypten, Jordanien, Montenegro, Nordmazedonien sowie die Türkei.
In Asien bietet Kambodscha entsprechende Möglichkeiten, und im Südpazifik hat Vanuatu ein regelrechtes Sammelsurium an Programmen zu bieten. Darüber hinaus gibt es Länder, die zwar über Gesetze verfügen, die Investoren die Einbürgerung erlauben oder erleichtern, allerdings in viel geringerem Umfang. Diese Länder müssen wohl erst noch zuverlässige, vermarktbare Programme entwickeln. Wenn man sie dennoch einbezieht, ergeben sich mindestens 22 Länder, die im Jahr 2022 über eine gesetzliche Grundlage für die Einbürgerung von Personen verfügen, die einen bestimmten Betrag im Land investieren (oder spenden).
Bis vor kurzem waren CBI-Programme vor allem in kleinen Inselstaaten mit weniger als einer Million Menschen üblich. Für solche Kleinststaaten kann eine Finanzspritze aus dem Ausland in Form von CBI-Investitionen eine beträchtliche wirtschaftliche Wirkung haben. In letzter Zeit hat sich das Bild aber geändert. Nun sind auch größere Länder wie Russland und Ägypten in den Verkauf ihrer Staatsbürgerschaft eingestiegen.
Da diese neuen Programme noch in den Kinderschuhen stecken, ist es schwierig, ihr Potenzial zu beurteilen, doch es scheint sich zukünftiges Wachstum abzuzeichnen, denn auch in Ländern wie Armenien, Kroatien, Georgien und Panama werden entsprechende Optionen bereits debattiert.
Fragt sich, wie weitreichend diese Programme sind. Oberflächlich betrachtet erscheinen sie unbedeutend: nur etwa 50.000 Menschen werden jedes Jahr per CBI-Programm eingebürgert – eine scheinbar vernachlässigbare Zahl im Vergleich zu einer Weltbevölkerung von gut acht Milliarden Menschen. Allerdings wird die Tragweite deutlicher, wenn man sie im Kontext betrachtet.
»Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die Käufer hauptsächlich aus drei Regionen kommen: China und Südostasien, Russland und andere postsowjetische Länder sowie der Nahe Osten.«
Denn die Gruppe der wahrscheinlichen Interessenten an diesen Programmen ist recht klein. Es handelt sich dabei größtenteils um Neureiche aus Ländern außerhalb des Globalen Nordens. Die verfügbaren Daten aus Malta, Antigua, Zypern, St. Lucia und Dominica deuten darauf hin, dass die Käufer hauptsächlich aus drei Regionen kommen: China und Südostasien, Russland und andere postsowjetische Länder sowie der Nahe Osten.
Zwar bewerben sich auch einige Menschen aus wohlhabenden Demokratien im Globalen Norden, darunter immer mehr US-Bürgerinnen und -Bürger. Wirklich befeuert wird die Nachfrage jedoch von einer kleinen Gruppe wohlhabender Menschen aus Ländern mit als »schlecht« angesehen Pässen, beispielsweise aus autoritär regierten Staaten. Es sind nicht-westliche Gewinner der Globalisierung – diejenigen, die auf der Elefantenkurve von Branko Milanović gut abschneiden. Für die Regierungen, die goldene Pässe ausgeben, sind diese globalen Eliten das Zielpublikum für gekaufte Staatsbürgerschaften.
Trotz des kontinuierlichen Anstiegs der Nachfrage waren nicht alle Länder gleichermaßen erfolgreich bei der Gewinnung von neuen »Investorenbürgern«. In den frühen 2010er Jahren war es insbesondere die Karibik, auf die etwa 90 Prozent der entsprechenden Einbürgerungen weltweit entfielen. Mitte des Jahrzehnts wurden hingegen Angebote im Pazifik- und im Mittelmeerraum populärer; seit 2018 steht die Türkei an der Spitze der Hitliste. Letztere ist nun das Land der Wahl für die meisten derartigen Neubürger und macht etwa die Hälfte aller Einbürgerungen dieser Art weltweit aus. Selbst auf dem Höhepunkt der COVID-Pandemie im Jahr 2020 bewilligte Ankara rund 1.000 Anträge pro Monat.
»Staatsbürgerschaft ist nicht nur eine ungewöhnliche Ware – sie ist auch eine Ware, die auf ungewöhnliche Weise zu vermarkten und zu verkaufen ist.«
Die Nachfrage konzentriert sich nach wie vor auf einige wenige Orte. Ägypten, Samoa, Nordmazedonien und Jordanien haben zwar entsprechende Programme, aber derart wenige Investoren wählen diese Länder aus, dass sie in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Obwohl über 20 Länder CBI-Optionen anbieten, haben nur neun eine nennenswerte Anzahl von Menschen eingebürgert: Antigua, Zypern, Dominica, Grenada, Malta, Saint Kitts, Saint Lucia, die Türkei und Vanuatu. Hinzu kommen noch die Komoren – die aufgrund von nicht eindeutig geklärten rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit ihrem Programm jedoch nicht in den Zählungen auftauchen.
Staatsbürgerschaft ist nicht nur eine ungewöhnliche Ware – sie ist auch eine Ware, die auf ungewöhnliche Weise zu vermarkten und zu verkaufen ist. Daraus ergeben sich gewisse Probleme; unter anderem in Bezug auf die Rolle des jeweiligen Staates, der diesen ungewöhnlichen Markt und sein »Produkt« erst möglich macht.
Staaten legen die Regeln für Märkte fest. Ihre Vorschriften können die Art der Produzenten auf dem Markt, die Formen des Wettbewerbs zwischen ihnen, ihre grundsätzlichen Geschäftsmöglichkeiten sowie die Art der verfügbaren Güter und auch die Art des (legalen oder illegalen) Warenaustauschs beeinflussen. Ein Staat kann somit zwar den Rückhalt bieten, der das Vertrauen zwischen den Marktteilnehmenden aufrechterhält, aber er ist selbst nie uneigennützig und er kann von den Akteuren dazu gebracht werden, die Regeln zu ihren Gunsten zu ändern.
Darüber hinaus kann der Staat die Bevölkerung vor den schlimmsten Auswirkungen des Marktes schützen, indem er sie entschädigt, wenn letzterer mal wieder versagt. Im Falle der Staatsbürgerschaft ist der Staat aber sowohl Marktregulator als auch der einzige Produzent des nachgefragten Gutes. Nur Staaten können Staatsbürgerschaften »produzieren«. Ebenso gilt: wenn eine Staatsbürgerschaft vom jeweiligen Staat oder der Regierung nicht anerkannt wird, ist sie faktisch wertlos.
Staatenlose Menschen, wie die Rohingya in Myanmar oder ethnische Russinnen und Russen in Lettland kennen die Folgen, die entstehen können, wenn eine Regierung sie als »Fremde« ausgrenzt. Selbst wenn sie einmal Anspruch auf Zugehörigkeit hatten, zählt ihre Staatsbürgerschaft wenig bis nichts, wenn der jeweilige Staat nicht dahinter steht.
»Der Staat spielt zwei Rollen, wenn er seine Staatsbürgerschaft verkauft; er fungiert sowohl als alleiniger Anbieter des Produkts als auch als diejenige Instanz, die den Markt regelt.«
Somit ist der Staat der einzige legitime »Verkäufer« von Staatsbürgerschafen. Zwar mögen bürokratische Hürden den Einbürgerungsprozess hier und da verlängern und vielleicht braucht es auch »Vermittlerpositionen« zwischen Käufern und dem Verkäufer, aber der Staat selbst muss jede »Staatsbürgerschaftstransaktion« absegnen. Somit kann es beispielsweise auch keinen legalen »Zweitmarkt« geben, auf dem »gebrauchte« Staatsbürgerschaften wie auf einem Flohmarkt weiterverkauft werden.
Da es sich bei der Staatsbürgerschaft um ein staatliches Monopol handelt, können selbst die kleinsten Anbieter – beispielsweise sogenannte Mikrostaaten mit weniger als einer Million Einwohnern – dieses Instrument einsetzen, um Einnahmen zu generieren. Hier geht es nicht um Größe, sondern um Souveränität.
Der Staat spielt zwei Rollen, wenn er seine Staatsbürgerschaft verkauft; er fungiert sowohl als alleiniger Anbieter des Produkts als auch als diejenige Instanz, die den Markt regelt. Diese Doppelrolle hat zuweilen zu ethisch fragwürdigen, aber völlig legalen Fällen geführt, in denen Länder die Staatsbürgerschaft an Kriminelle (oder Verdächtige) verkauft haben. Ein Beispiel dafür ist Tadamasa Goto, ein japanischer Mafiaboss, der gegen eine beträchtliche Spende kambodschanischer Staatsbürger wurde.
Wenn der Staat jedoch sowohl den Markt reguliert als auch als unentbehrlicher und einziger Akteur darauf auftritt, stellt dies die konventionellen Annahmen über das Funktionieren von Märkten in Frage: nämlich, dass eine Trennung dieser Rollen Interessenkonflikte abschwächt und die Stabilität des Marktes erhöht. Probleme sind demnach unvermeidlich, wenn Staaten einen Markt um ein staatliches Hoheitsrecht herum aufbauen.
Bei Staatsschulden zum Beispiel bleibt die Möglichkeit eines Ausfalls ohne Entschädigung ein drohendes Risiko für die Gläubiger, da die Immunität von Staaten die möglichen Instrumente zur Durchsetzung von Zahlungen oder zur Beschlagnahme von Vermögenswerten begrenzt. Regierungen können außerdem makroökonomische Indikatoren beeinflussen, so dass es für die Gläubiger schwierig ist, die wirtschaftliche Lage des Landes zu überprüfen. Um sich vor solchen Bedrohungen zu schützen und die Liquidität zu sichern, treten Intermediäre mit eigenen Reputationsrisiken in die Transaktion ein.
Bei Staatsbürgerschaften gibt es eine vergleichbare Version: die Nicht-Anerkennung. Als Grenada beispielsweise 2001 auf Druck der Vereinigten Staaten sein Angebot für die Vergabe von sogenannten Wirtschaftsbürgerschaften einstellen musste, weigerte sich das Land einfach, seine bisherigen Investoren weiterhin als Staatsbürger anzuerkennen und »löschte« deren Staatsbürgerschaft einfach. Ähnliche Fälle gab es im Pazifikraum in den 1990er Jahren.
Diese Vorgehensweise wird jedoch schwieriger, wenn es offizielle Kanäle gibt und Gesetze zu vollwertigen CBI-Programmen ausgebaut werden. Wenn die Staatsbürgerschaft über ein langwieriges bürokratisches Verfahren vergeben wird, das eine Arbeitsteilung und externe Aufsicht beinhaltet, ist eine vorsätzliche Missachtung der eigenen Regeln später leichter anfechtbar.
Könnte die Deglobalisierung Auswirkungen auf CBI-Programme haben? Wenn überhaupt, würde sie die Nachfrage wahrscheinlich noch weiter steigern, da Menschen nach Möglichkeiten suchen, sich neue/mehr Chancen zu sichern, wenn sich Länder abkapseln oder in regionalen Blöcken abschotten. Wenn sich die Staaten verstärkt nach innen wenden, könnte das Staatsbürgerschaftsangebot in denjenigen Ländern steigen, die besonders mit den wirtschaftlichen Folgen von Deglobalisierung und Protektionismus zu kämpfen haben.
»CBI wird in einer Welt des Risikos, der Ungewissheit und der Ungleichheit – Kennzeichen der vom Kapitalismus geprägten heutigen Globalisierung – weiter zunehmen.«
Doch auch wenn die Globalisierung weiter anhält, ist ein anderes Ergebnis unwahrscheinlich. CBI wird in einer Welt des Risikos, der Ungewissheit und der Ungleichheit – Kennzeichen der vom Kapitalismus geprägten heutigen Globalisierung – weiter zunehmen. Die Nachfrage nach CBI-Programmen wird so lange anhalten, wie die Länder ihrerseits wohlhabende Bürgerinnen und Bürger per Staatsbürgerschaftsvergabe »produzieren«. Diese Menschen wollen ihre Mobilität oder ihre wirtschaftlichen Chancen verbessern – oder sich eine Art Versicherung gegen die möglicherweise wankelmütige eigene Regierung leisten.
Es ist unwahrscheinlich, dass das Angebot nachlässt, da Staaten mit begrenzten Einnahmequellen mit diesen Programmen leicht Geld machen können, insbesondere wenn andere Wirtschaftsströme versiegen. Unsere Welt ist mehr und mehr eine Welt der Mobilität statt der Migration; die Menschen wollen mehr Flexibilität und in kürzerer Zeit umziehen.
Trotz dieser Mobilität wird die Staatsbürgerschaft nicht obsolet. Tatsächlich wird sie sogar umso wichtiger, weil sie einfach mitgenommen werden kann und (normalerweise) auch außerhalb des ausstellenden Landes anerkannt wird. Wenn beispielsweise eine Ärztin in ein anderes Land umzieht, wird ihre Ausbildung dort möglicherweise nicht anerkannt. Das gilt aber nicht für ihre Staatsbürgerschaft; diese kann sie ohne Probleme auch am neuen Wohnort »benutzen«.
Aus diesem Grund ist die Staatsbürgerschaft auch in unserer überaus mobilen Ära immer noch von grundlegender Bedeutung, und ihre Auswirkungen auf die globale Ungleichheit sind tiefgreifend. Bei der Staatsbürgerschaft geht es um weit mehr als eine Bindung zwischen Souverän und Untertan. Der »Wert« von Staatsbürgerschaften wird durch die faktischen Unterschiede zwischen ihnen bestimmt.
Der CBI-Markt macht sich diese unterschiedliche Bewertung von Staatsbürgerschaften zunutze, ist aber nur einer Facette dieser ebenso bösartigen wie ungerechten Hierarchie. Das Prinzip Staatsbürgerschaft für Investitionen ist nur ein kleiner Teil einer umfassenderen »Staatsbürgerschaftswirtschaft«, in der Menschen und ihre Nationalität laut Pass unterschiedlich be- und gewertet werden.
Ein Extremfall ist das winzige Nauru, das heute die Hälfte seiner Staatseinnahmen mit der Aufnahme von Asylbewerbern verdient, die von Australien zurückgewiesen wurden. In der globalen Staatsbürgerschaftswirtschaft können die Reichen – ob Länder oder Einzelpersonen – walten und schalten, wie sie wollen, während die Kleinen die Krümel aufsammeln und nach Alternativen suchen müssen.
Nationalstaaten sind nach wie vor von grundlegender Bedeutung für die kapitalistisch getriebene Globalisierung. Sie begrenzen und bewahren gleichermaßen die Möglichkeiten, von denen Unternehmen und Einzelpersonen profitieren, sei es durch die Ausnutzung von Kostenunterschieden für Arbeitskraft in den einzelnen Staaten oder andere komparative Vorteile. Noch entscheidender ist, dass Staaten den rechtlichen Rahmen und Regulierungen bereitstellen, die die Märkte benötigen, um zu funktionieren – und die ebenso die juristischen Spitzfindigkeiten erleichtern, die ein entfesselter Kapitalismus mit sich bringt.
»Solange Länder auf den Kapitalismus bauen, wird die Staatsbürgerschaft die globale Mobilität und somit auch die eigenen Chancen bestimmen.«
Nationalstaaten bilden allerdings nicht nur Grenzen zwischen Rechtsrahmen oder Kostenunterschieden. Sie grenzen auch die Bevölkerungen voneinander ab. Praktisch die gesamte Menschheit ist in Nationalstaaten aufgeteilt und die individuelle Freizügigkeit nach diesem Kriterium reglementiert.
Eine globalisierte Welt ist offensichtlich nicht mit dem Entstehen einer »Weltbürgerschaft« verknüpft. Stattdessen spaltet die Nationalität. Sie beeinflusst, wohin wir reisen können, wie wir behandelt werden und welche Rechte wir haben – nicht nur zu Hause, sondern überall auf der Welt. Für einige bietet sie zahlreiche Chancen und Privilegien, für andere bringt sie Sanktionen und Einschränkungen mit sich.
Das können wir gut oder schlecht finden; es ist ein Fakt. Goldene Pässe erinnern uns daran, wie grundlegend die Staatsbürgerschaft ist, selbst in einer stark vernetzten Welt. Solange Länder auf den Kapitalismus bauen, wird die Staatsbürgerschaft die globale Mobilität und somit auch die eigenen Chancen bestimmen.
Um nochmals auf Nauru zu sprechen zu kommen: Der Inselstaat steht derweil vor noch größeren Herausforderungen als »nur« der Konkurrenz auf den globalen Märkten. Denn der Meeresspiegel steigt und bedroht somit nicht weniger als die Existenz des Landes. Wenn der Klimawandel weiter voranschreitet, werden die ärmeren und anfälligeren Inselstaaten am meisten darunter leiden, auch wenn sie meist am wenigsten zu dieser Krise beigetragen haben, die nicht an Staatsgrenzen Halt macht.
Könnte ein Unterwasserstaat auch noch seine Staatsbürgerschaften verkaufen? Die Frage mag lächerlich erscheinen, aber sie verdeutlicht die Herausforderungen im globalen Wettbewerb, mit denen Kleinststaaten wie Nauru konfrontiert sind. Die heikle Lage, in der sie sich schon heute befinden, verdeutlicht die globale Ungleichheit und die geopolitischen Manöver, die unsere Welt bestimmen.
Dieser Text ist ein Auszug aus Kristin Suraks Buch The Golden Passport: Global Mobility for Millionaires.