06. Dezember 2024
Schulden sind nicht das Ergebnis moralischen Versagens, sondern wirtschaftlicher Abhängigkeit. Darin sind Christentum, Judentum und Islam sich einig.
»Schulden beschreiben ein Machtverhältnis – und das wiederum ist in der globalen Wirtschaft zu Ungunsten der Staaten des Globalen Südens ausgerichtet.«
Treffen sich der Papst, ein Rabbi und ein Imam und gehen zum Internationalen Währungsfonds, um für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung zu kämpfen. Was wie ein schlechter Witz klingt, könnte 2025 Realität werden. Denn das Christentum wie auch das Judentum und der Islam sind sich in einer Sache einig: Wenn Schulden nicht beglichen werden können, dann müssen sie erlassen werden.
Die Herleitung wird in allen drei Weltreligionen moralisch begründet: Da hohe Verschuldung oftmals nicht selbst verschuldet, sondern das Ergebnis wirtschaftlicher Abhängigkeit ist, sollten Schulden gestrichen werden, um den Abhängigen und Armen ein Leben in Würde zu ermöglichen. In allen diesen drei Religionen wird also zwischen der finanziellen Schuld in Form des Kredits und der moralischen Schuld differenziert. Diese Trennung ist außerordentlich wichtig. Denn die semantische Nähe zwischen »Schuld« und »Schulden« erschwert es im Deutschen, finanzielle Schulden als Ausdruck ökonomischer Kredit-, Markt- und Machtverhältnisse zu begreifen und nicht als Konsequenz ethisch-moralischen Versagens. Die Streichung von Schulden gilt daher folgerichtig in Christentum, Judentum und Islam als ein Instrument zur Befreiung aus der Knechtschaft.
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Robin Jaspert ist Politökonom und promoviert an der Goethe-Universität in Frankfurt. Er forscht zu Staatsfinanzen, Süd-Nord-Beziehungen, Fiskal- und Geldpolitik.