06. Dezember 2024
In Seoul wurde ein populärer Staatsbeamter aus dem Dienst entlassen, weil er sich für Lehrer einsetzte, die es gewagt hatten, sich politisch zu betätigen. Südkoreas Eliten geben sich alle Mühe, die demokratischen Ansprüche der Arbeiterschaft kleinzuhalten.
Jahrzehnte nach dem formellen Ende der Militärherrschaft sind die politischen Freiheiten der koreanischen Arbeiterinnen und Arbeiter nach wie vor durch harsche gesetzliche Auflagen beschränkt.
Anfang September bestätigte der Oberste Gerichtshof von Südkorea eine Bewährungsstrafe gegen Cho Hee-yeon, den populären Superintendenten des Seouler Schulamts. Der Soziologe gilt als progressiv und ist ein wichtiger Vertreter der engagierten südkoreanischen Zivilgesellschaft. Cho setzt sich dafür ein, verstärkt kostenlose Schulmahlzeiten anzubieten, die Rechte von Schülerinnen und Schülern zu schützen und die Zahl der Privatschulen zu begrenzen. Im Zuge dieses Urteils musste er jedoch sein Amt, das dem eines Bildungsministers in der Metropole mit ihren fast 10 Millionen Einwohnern gleichkommt, aufgeben.
»Südkorea ist eines der wenigen Länder, in denen es dem Lehrpersonal verboten ist, Parteien beizutreten, einzelne Kandidaturen zu unterstützen oder auch nur ihre politische Meinung öffentlich zu äußern.«
Die Amtsenthebung von Cho ist eine Ungerechtigkeit, der Bände über die heutige Machtstruktur in Korea spricht. Jahrzehnte nach dem formellen Ende der Militärherrschaft sind die politischen Freiheiten der koreanischen Arbeiterinnen und Arbeiter nach wie vor durch harsche gesetzliche Auflagen beschränkt. Das ist auch eines von vielen Hindernissen, mit denen die koreanische Linke immer wieder zu kämpfen hat, wenn sie in der nationalen Politik präsent sein will.
Angeklagt wurde Cho 2021 unter dem Public Official Election Act. Demnach habe er seine Macht missbraucht, indem er sich dafür einsetzte, fünf Lehrerinnen und Lehrer, die Mitglied der Lehrergewerkschaft KTU sind, wieder einzustellen. Sie waren zuvor auf Grundlage ebenjenes Gesetzes angeklagt worden. Einer dieser Lehrer wurde beschuldigt, während der Präsidentschaftswahlen 2002 »verleumderische Nachrichten« in Online-Foren gepostet zu haben (er wurde später freigesprochen). Die anderen vier wurden dafür bestraft, dass sie Spenden gesammelt hatten, um einen bestimmten Kandidaten bei den Wahlen zum Leiter des Schulamts 2008 zu unterstützen.
Südkorea ist eines der wenigen Länder, in denen es dem Lehrpersonal verboten ist, Parteien beizutreten, einzelne Kandidaturen zu unterstützen oder auch nur ihre politische Meinung öffentlich zu äußern. Die frühere konservative Präsidentin Park Geun-hye verbot 2014 die KTU, weil diese entlassene Lehrerinnen und Lehrer weiterhin als Mitglieder behielt. Fast sieben Jahre lang galt die Gewerkschaft daher als »illegale Organisation«. Dafür gab es scharfe Kritik der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und anderer internationaler Institutionen.
Du hast ein Abo, aber hast dich noch nicht registriert oder dein Passwort vergessen?
Klicke hier!
Jamie Doucette lehrt Humangeografie an der University of Manchester und ist Autor des Buches The Postdevelopmental State: Dilemmas of Economic Democratization in Contemporary South Korea.