06. Dezember 2024
Donald Trump verdankt seine Wiederwahl der Inflation – doch sie könnte ihn auch zu Fall bringen.
Trump scheint das Proletariat für sich gewinnen zu können: Bei den Wählerinnen und Wählern ohne College-Abschluss lag er mit 14 Punkten vorne.
Das große Problem der Demokratischen Partei in den USA besteht im Grunde darin, dass sie eine Partei des Kapitals ist, die sich aus wahltaktischen Gründen aber als das Gegenteil ausgeben muss. Bei der jüngsten Wahl kam es nicht einmal mehr zu diesem früher dargebotenen Schauspiel: Kamala Harris zog es vor, mit dem (unerklärlicherweise berühmten) Milliardär Mark Cuban und der Anti-Trump-Republikanerin Liz Cheney Wahlkampf zu betreiben, statt beispielsweise mit Shawn Fain, der die Auto-Gewerkschaft UAW zum erfolgreichsten Streik seit Jahrzehnten geführt hatte. Dass Harris auf die Erstgenannten setzte, versinnbildlicht ihre Politik und verweist auf ihre demografische Zielgruppe: das Silicon Valley und die wohlhabenden Vororte.
Wie schon bei Hillary Clintons Kampagne 2016 scheiterte diese Strategie erneut, nur noch krachender. Clinton hatte damals im popular vote immerhin knapp 3 Millionen Stimmen mehr als Donald Trump erhalten. Nicht einmal das schaffte Harris. Sie verlor sogar unter weißen Frauen in den Vororten, einer Hauptzielgruppe dieser nunmehr zweimal gescheiterten Strategie, an Zustimmung.
Wie bei jedem großen historischen Ereignis gibt es auch für diese Niederlage viele Erklärungen. Schon vor Harris’ fehlgeleitetem Wahlkampf war da die bizarre Art ihrer Nominierung. Der Stab im Weißen Haus hatte während der gesamten Amtszeit von Joe Biden konsequent dessen geistigen Verfall verheimlicht und geleugnet. Erst sein katastrophaler Auftritt in der TV-Debatte gegen Donald Trump machte es unmöglich, die Fiktion aufrechtzuerhalten, er sei geistig auf der Höhe, um weitere vier Jahre Präsident zu bleiben. Daraufhin gab es aber keine parteiinternen Vorwahlen. Nicht, dass es bei den Demokraten politische Talente wie Sand am Meer gäbe, aber es hätte wohl nicht geschadet, erst nach Debatten und Auseinandersetzungen eine Entscheidung zu treffen...
Nach Harris’ »Krönung« zur Präsidentschaftskandidatin gab es einen kurzen, geradezu wahnhaften Anfall von Enthusiasmus. Die Demokraten zeigten sich überzeugt, Harris werde das Ruder nun herumreißen. Doch schnell wurden wir daran erinnert, warum sie 2020 im Vorwahlkampf unterlegen gewesen war.
»Die Glücklichen, denen die Inflation überhaupt keine Schwierigkeiten bereitet hat, entschieden sich mit 57 Punkten Vorsprung für Harris.«
Auch ihr running mate Tim Walz begeisterte die Fans der Partei für ein oder zwei Wochen, aber dann wurde seine Mittelmäßigkeit offensichtlich und er verschwand schnell wieder aus dem Blickfeld. Hinzu kommt die unerschütterliche Unterstützung für Israels Krieg in Gaza, die vermutlich nicht ausschlaggebend war, aber Harris dennoch einige Stimmen gekostet haben dürfte.
Einer Erklärung für die Niederlage muss jedoch widersprochen werden – nämlich dem Vorwurf, Harris sei »zu liberal« (was im US-Kontext links bedeutet). Diese Behauptung wurde unter anderem durch eine Umfrage der New York Times und des Siena College vom September gestützt. Demnach würden 47 Prozent der wahrscheinlichen Wählerinnen und Wähler Harris als zu liberal betrachteten; verglichen mit 32 Prozent, die Trump als zu konservativ (also zu rechts) ansahen.
In derselben Umfrage stellte eine beträchtliche Anzahl der Befragten allerdings fest, dass sie gar nicht wisse, welche Pläne Harris eigentlich habe. Es bleibt unklar, was die breite Öffentlichkeit unter »zu liberal« versteht oder warum dieses »zu liberal« auf eine Ex-Staatsanwältin zutreffen sollte, die Risikokapitalgeber als ihre Kernwählerschaft betrachtet. (Ähnlich wie Clinton liebt Harris ihre milliardenschweren Gönner und Spender. Und wie bei Clinton sehen diese sie jetzt zweifellos als absolute Verliererin.)
»Unter Präsident Trump war der durchschnittliche reale Stundenlohn um 4,8 Prozent gestiegen, unter Präsident Biden sank er um 1,3 Prozent. «
Die Wahltagsbefragungen erzählen eine etwas andere Geschichte: 46 Prozent nannten Harris zu extrem, während 55 Prozent Trump als zu extrem ansahen. Aber das wird viele tonangebende Demokraten und ihre nutzlosen Berater wohl kaum davon abhalten, demnächst einen Rechtsruck zu fordern, um damit dem Trumpismus entgegenzuwirken.
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Doug Henwood ist Redakteur bei Left Business Observer und Host des Podcasts Behind the News.